Mut zur Lücke statt Tool-Friedhof - Tools für Innovationsmanagement
- Dr. Babette Sonntag
- vor 4 Tagen
- 5 Min. Lesezeit

Immer mal wieder neue Tools für Innovationsmanagement - gegen den Innovationsfrust? Vielleicht kommen ja dann die tollen Ideen. Und die Notizen sehen auch gleich viel schicker aus. Oder es fällt nicht so auf, dass der Input dürftig ist...
So sammeln sich Plattformen und Software an, die zwar ausprobiert, aber selten wirklich integriert oder sinnvoll genutzt werden - oft führt das nicht zu mehr Innovation, sondern zu Unübersichtlichkeit und Ineffizienz. Es braucht dann nämlich noch zu jedem Tool eine Liste an Regeln, die festlegen, wofür, wann und wie die Tools zu nutzen und wo sie zu finden sind.
Oft sterben die Tools einen langsamen Tod und landen früher oder später auf dem Tool-Friedhof.
Mut zur Lücke bei den digitalen Werkzeugen kann die Innovationarbeit dagegen inspirieren.
Tool-Friedhof - das Schicksal der Tools für Innovationsmanagement
Innovationsmanagement ist komplex mit vielen Schritten im Ablaufprozess. Gleichzeitig gilt es, in jeder Phase andere Perspektiven zu berücksichtigen: so ist das Schärfen einer Idee etwas Anderes, als das Prüfen der technologischen Machbarkeit oder die Planung eines Umsetzungsprojektes.
Es liegt auf den ersten Blick durchaus nah, für jeden Schritt ein spezialisiertes Tool einzusetzen – von Ideenmanagement-Apps über Kollaborationsplattformen bis hin zu Projektmanagement-Software.
Stolpersteine gibt es dabei einige:
Schnittstellen zwischen den Tools fehlen oder funktionieren schlecht. Daher werden Daten nicht ausgetauscht und Informationen fehlen im nächsten Prozessschritt und im nächsten Tool.
Wissen über die richtige Nutzung bleibt unklar. So entsteht Wildwuchs bei der Dateneingabe, kaum jemand blickt noch durch und man sucht mehr, als dass man etwas findet
User müssen zwischen verschiedenen Systemen hin- und herwechseln. Das macht keinen Spaß und wird vielleicht gleich lieber ganz vermieden.
Eine einheitliche Datenbasis und ein gemeinsames Verständnis der digitalen Informationen entsteht nicht automatisch, sondern muss extra und bewusst erzeugt werden. Das macht Arbeit. Das nervt.
...und so kommt es, dass viele Tools "sterben", obwohl sie in der guten Absicht, die Innovationsarbeit zu verbessern, eingeführt wurden.
Warum weniger oft mehr ist
Ich bin der Meinung: Innovationsprozesse brauchen keine Vielzahl an Tools, um gut zu funktionieren. Innovationsarbeit braucht vor allem klare Leitplanken, viel direkte Interaktion und analoge Arbeit.
Leitplanken
Ideengeber müssen wissen, welche Themen zu "Innovation" gehören und wo sie dazu Informationen finden. Es muss klar sein, welche Art von Ideen das Unternehmen sucht, mit welchen Zielen, wie sie bewertet, priorisiert und später umgesetzt werden, wie viel Zeit in welche Formate investiert werden darf/sollte, was Anforderungen sind und was nicht. Diese Informationen müssen klar und ansprechend kommuniziert werden, einfach auffindbar sein und es muss einen klaren Ansprechpartner/in für die Ideengeber geben.
Analoge Arbeit
Anstelle von digitalen Tools und Meetingformaten sollten gerade in den frühen Phasen der Ideenfindung und Schärfung analoge Formate gewählt werden, um Ideation zu betreiben: Workshopformate und echte Räume, um mit bunten Post-Its und mit Stift und Zettel zu arbeiten, um Moderationswände mit kreativen Fragen zum Diskutieren, Kommentieren, mit einfachen Mitteln gebastelte Visualisierungen usw. bereitzustellen. Man kann die Wirkung dieser Art "Handarbeit" auf die Kreativität nicht unterschätzen.
Ebenso laden bunte Feedbackwände mit Ideen-Pitches eher zum Stehenbleiben und Mitmachen ein, als der Link zu einem digitalem Board.
Begeisterung
Klar braucht es ein innovationsfreundliches Mindset und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Genauso wichtig es, Innovationsmanager zu haben, die sich mit Moderationstechniken, Kreativitäts- und Ideation-Techniken auskennen. Die wissen, wie man Ideen herauskitzelt, anreichert, wie man neue Perspektiven einnimmt und auch vermeintlich Unkreative zum kreativen Arbeiten bringt.
Neben der Frage des Methoden- und Moderationswissens zählt die Begeisterung und Leidenschaft, die rübergebracht wird. So kann Spaß an der Ideenarbeit vermittelt werden. Das ist ein sehr persönlicher Faktor, der inspiriert und mitreißt.
Das Mindset und die Kultur eines Unternehmens sind die wichtigsten Treiber für Innovation. Nicht die Werkzeuge, die es verwendet.
Tipps für mehr analoge Ideation in deinem Unternehmen

Verbindung von Raum & Methode
Innovation und Zusammenarbeit brauchen nicht unbedingt feste Räume – sie brauchen Situationen, die Begegnung, Perspektivwechsel und gemeinsames Denken ermöglichen. Hier sind ein paar Ideen, die ortsunabhängig und flexibel funktionieren und analoge Zusammenarbeit fördern können:
Walk & Talk-Zonen mit Bodenfragen („Wofür lohnt sich ein Risiko?“)
Ideenspeicherwände mit Rubriken („Spinnerei – Brillanz – Bauchgefühl“) - oder der Aufgabe: „Hinterlasse eine mutige Idee auf dem Whiteboard der Woche.“
Teams entwickeln Ideen auf mobilen Plakaten – andere geben Rückmeldungen per Klebepunkte oder Kommentarkarten.
"Walkshops" oder „Analoge Störimpulse“ (Überraschungsbesuche) durch „Wandelbotschafter“ oder andere Teams: mit absurden Aufgaben (z. B. „Erzählt euer Projekt als Märchen“).
Wechselnde Orte für mobile Plakate/Stellwände, jede Station ergänzt Ideen, Kommentare oder Skizzen
Muss es doch ein Tool sein? Was du beachten solltest:

Obwohl meiner Meinung nach die analoge Arbeit nicht unterschätzt werden darf, gibt es Tools, die absolut sinnvoll sind. Zum Beispiel für das Trendscouting, das Visualisieren von vielen Themen und deren Inhalten in verschiedenen Ansichten oder das Dokumentieren. Ganz ohne Tool geht es heute nicht mehr.
Um dafür eine fokussierte, fundierte Toolauswahl treffen zu können, sind folgende Punkte hilfreich:
IT-seitig
Mache eine Bestandsaufnahme aller genutzten Tools in deiner Organisation und hinterfrage kritisch deren Mehrwert.
Wie soll das Tool in die IT-Landschaft des Unternehmens eingebettet werden?
Prozessual
Wird sichtbar, wie Ideen aus dem Tool in echte Projekte einfließen?
Wer hat welchen Bedarf? Innovationsmanager? Entwickler? Vertrieb? Führungskräfte?
Wer hat welche Rolle im Tool? (Ideengeber, Bewerter, Umsetzer...)
Wo im Innovationsprozess ist das Tool verankert? (Frühphase, Auswahl, Umsetzung, Transfer?)
Suche nach Tools, die mehrere Anforderungen im Prozess abdecken, statt für jede Aufgabe ein eigenes Tool.
Binde zukünftige Nutzer früh in die Auswahl ein und hole regelmäßig Feedback ein.
Strategisch
Ist der Bezug zu Unternehmenszielen transparent?
Welchen konkreten Zweck soll das Tool erfüllen? Ideen sammeln? Innovationsprozesse dokumentieren? Kollaboration fördern?
Klare Funktionen, klarer Mehrwert = höhere Nutzung.
Achte darauf, dass...
Daten, wie Statusübersichten, Ideenlandkarten, in dem Tool visualisiert werden (spielerische Ansichten)
dass diese Informationen aus dem Tool stetig den Stakeholdern zur Verfügung gestellt und in der Weiterbearbeitung von Ideen verwendet werden
es klare Regeln für die Tool-Nutzung gibt und sie ansprechend und schnell auffindbar bereitgestellt sind.
du mit einem klar begrenzten Use Case (z. B. „Ideen für Nachhaltigkeit im Alltag“) und sichtbar umgesetzten Ergebnissen beginnst.
du das Tool mit Workshops, analogen Ideation-Sessions, "Walkshops" etc. kombinierst.
➡️ Digital + analog = Synergie statt Konkurrenz.
Warnsignale, dass dein Tool zu scheitern droht:
Es wird als „Extraaufgabe“ empfunden.
Es gibt keinen Grund/Mehrwert, Daten in das Tool einzugeben.
Es gibt keine klaren Verantwortlichkeiten oder Follow-up-Prozesse.
Es werden Ideen gesammelt, aber nicht ausgebaut, bewertet umgesetzt, geschweige denn ein Status an den Ideengeber zurückgemeldet.
Grafische Auswertungen/Übersichten über den Status der Einträge werden nicht weitergegeben/genutzt/ausgewertet.
Fazit: Weniger ist mehr
Ein Unternehmen wird nicht innovativer, weil es tolle Tools einsetzt.
Der Erfolg von Innovation hängt nicht von der Anzahl der eingesetzten Tools ab, sondern von einem flexiblen Vorgehen, das von einer offenen und kreativen Kultur getragen wird.
Ein durchdachtes Tool-Setup, das Prozesse unterstützt aber nicht einfach nur automatisiert, ist dabei der Schlüssel, um den Tool-Friedhof zu vermeiden und Innovation wirklich voranzubringen.
Ich habe erlebt, dass insbesondere der Mut zur Lücke Kreativität und Begeisterung erzeugen kann.
Zurück zu den Wurzeln: mehr analoges Arbeiten, bunte Zettel an Papierwänden, mehr Kreativität mit den Händen durch zeichnen, schreiben. Das setzt Energie frei! Warum ist das so? Wir haben auf diese Art einen unmittelbareren Einfluss auf unsere Arbeit, denn wir sehen die Ergebnisse in der realen Welt. Diese Selbstwirksamkeit setzt Kreativität und Freude frei.
Nutze ein Tool als Schnittstelle für hybride Innovationskultur, nicht als „Lösung für alles“!
❓Wie viele der Innovations-Tools werden in deinem Umfeld tatsächlich genutzt – und wie viele "liegen" nur herum? Welche Tools nutzt ihr wofür und warum?
Friedhof der Tool-Tiere 🤖. Danke für den Reminder! Ich nutze sehr gerne Mindmap mit Miro, bunte Zettel analog in WS, und gerne auch Postkarten zur Assoziationsarbeit in Beratungssituationen.